Hängt Elvis!
Diese Geschichte beruht auf dem Szenario 1815
- Napoleon siegt bei Waterloo
12. Dezember 1999
Es gab ein imposantes Schauspiel ab, als die schweren
Transporthubschrauber gleichzeitig vor dem Parlament der BAN zur
Landung ansetzten.
Synchron berührten die Kufen der 32 Maschinen den Rasen des großzügig
bemessenen Parlamentsparks.
Synchron schwangen die großen Luken auf.
Synchron verließen 64 leichte Geländewagen die Laderäume,
um sich wiederum in einer synchronen Bewegung im Gelände zu
verteilen, unter dem Feuerschutz von 12 ebenfalls exakt kreisenden
Kampfhubschraubern.
Von so viel Abgestimmtheit könnte einem übel werden. Bemerkenswert
nichtsynchron dagegen der begeisterte Pulk der anwesenden Presse
- gut und gern drei Dutzend Kameras waren auf uns gerichtet, als
der 33. Hubschrauber landete.
Der Völkerbund wird's schon richten.
Die Rauchwolken über den Vororten Richmonds
schienen eher ein Teil der Kulisse zu sein, keineswegs Anzeichen
für die Auswirkung nackter Gewalt. In Szene gesetzt für
die Retter der freien Welt.
In Wirklichkeit waren wir viel zu spät. Seit
dreißig Jahren bekämpften sich Schwarze und Weiße aufs Grausamste.
Begonnen hatten die Kämpfe an der Grenze zur Union, unterstützt
von schwarzen Sklavenbefreiungsbewegungen der "Yankee-Nations",
wie die Union der Vereinigten Staaten (UVA) heute noch verächtlich
von den weißen Konföderierten genannte wurden.
Wir waren viel zu spät.
Deutschland, Europa, den Nordstaaten ging es gut.
Russland schüttelte das Joch von vierzig Jahren Militärdiktatur
ab und entließ die Vasallenstaaten Ukraine, Georgien und den Kaukasus
in die Unabhängigkeit. Indien und China schüttelten die
japanische Dominanz ab. Die Weltwirtschaft florierte, neue Technologien
brachten mehr Lebensqualität. Außer man lebte in den Sklavenstaaten
Südafrika oder der Konföderation und war schwarz.
Im Jahre 1969 kam es zum Urknall des bewaffneten
Widerstandes in Atlanta, Georgia. Die weiße Regierung wollte den
Schwarzen jeglichen Deutsch-Unterricht verbieten, damit diese die
Rundfunk und Rundvisions-Nachrichten des Nordens nicht verstehen
konnten. Eine völlig unsinnige Reaktion, da schwarze Befreiungssender
ihre Botschaften längst in Französisch und Englisch über
die Grenzen sandten.
Die Schwarzen standen auf. Gewillt, sich nie wieder
zu beugen unter der grausamen Knute des Ku Klux Klans. Doch die Weißen, nicht imstande sich den Wechseln der Zeit zu stellen, schlugen
blind zurück. Ende des Jahres 69 wurde ein 14jähriger
Junge, der einen deutschsprachigen Sticker mit der Aufschrift "Freiheit
ist meine Religion" wegen Verrats zum Tode verurteilt.
Bereits ein Jahr später gab es keinen Ort
mehr in den Südstaaten, in dem nicht mindestens ein abgebrannter
Straßenzug von Kämpfen zeugte.
Wir waren viel zu spät.
Fronten gab es selten. Mal gelang es den Schwarzen
der "Black Liberation", eine Kleinstadt unter Kontrolle
zu bringen. Diese Erfolge waren jedoch stets von kurzer Dauer. Die
Armee machte es sich zur Regel, schwarze Städte sofort mit
Gasolon zu bombardieren, bis kein Stein mehr auf dem andern ruhte.
Dies wiederum führte dazu, dass BL-Kämpfer häufig
Städte stoßartig eroberte, dies in Rundfunk-Sendungen publizierte
und sich dann schleunigst aus dem Staub machte, während schon
die Flieger mit ihrem flüssigen Feuer am Himmel kreisten.
Doch irgendwann verwischten die Grenzen von Gut
und Böse. Jeder Weiße wurde zum Feind, der sterben musste.
Ungeachtet des Alters, des Geschlechtes, der Gesinnung. Zu Hunderttausenden
verließen die Liberalen unter den Weißen die Südstaaten,
zogen gen Norden. Zurück blieben nur die Verstockten, die Fanatischen,
die Grausamen.
Im Jahre 1989, zwanzig Jahre nach Ausbruch der
Unruhen, waren zehn Prozent des Wohnraums zerstört, lag die
Agrarindustrie des Südens am Boden, gab es keine geöffnete
Universität. Dafür umso mehr Konzentrationslager, Gefängnisse,
Kasernen. Ghettos. Elvis Presley, ein weißer Musiker aus Memphis,
Tennesee, der sich der Elemente schwarzer Musik bedient hatte und
deshalb bei Nacht und Nebel fliehen musste ("Ein Weißer macht
nicht Negermusik - also ist er schwarz und Schwarze müssen
hängen!") wurde zur Kultfigur der Integration der Schwarzen
im Norden. Zusammen mit schwarzen Politikern wie dem Prediger Martin
Luther King gelang es der "Frieden für Schwarz und Weiß"
Bewegung endlich, etwas Ordnung in die schwarze Front zu bringen.
Und sie brachten die Regeln zurück.
Regeln im Krieg sind eminent wichtig. Nicht dass
jemand sie wirklich beachten würde wenn es wirklich ernst wird
- aber es ist doch gut zu wissen, dass es sie gibt.
Den Weißen musste ein Licht aufgegangen sein als
die erste 105mm Granatwelle ein Flugportal bei New Orleans in Schutt
und Asche legte. Jedenfalls trat eine Welle der Konsolidierung in
diesem Krieg ein. Erstmals gab es so etwas wie stabile Fronten.
Während sich die Weißen verschanzten, konnten die BL-Kämpfer
eine relative Kontrolle über einen ganzen Staat erreichen -
Florida. Nicht das es da etwas zu kontrollieren gab außer Alligatoren
und Sümpfen - aber wenigstens hatten sie ein paar schöne
Strände.
Dennoch hatte es weitere sechs Jahre gedauert,
bis die Regierung der Konföderation eine förmliche Bitte
um Entsendung von Völkerbund-Truppen gestellt hatte. Die weiße
Regierung hatte längst nicht mehr ihre eigenen Truppen unter
Kontrolle - bei den Schwarzen lief es nicht viel anders. Die internationale
Waffenindustrie liebte dieses Land.
Dann - nach achtmonatiger Beratung, war es endlich
soweit.
Die Truppen des Völkerbundes betraten den
Boden der Konföderation.
In völliger Ratlosigkeit, wie in diesem Chaos
Frieden zu schaffen war.
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